Immer wieder höre ich von Kursteilnehmern und Kursteilnehmerinnen diese zwei Sätze: "Ich komm' im Moment überhaupt nicht zum Strömen! Ich ströme mir nur die Finger."
Wieviel steckt in dieser Aussage! Zum Einen ein immenser Leistungsdruck, als sei das Strömen eine Aufgabe, die wir jeden Tag abzuarbeiten hätten, dann das eigene "Versagen", denn simples Fingerströmen scheint ja eher ein Strömen zweiter Klasse zu sein. Und ein schlechtes Gewissen mir, der Jin Shin Jyutsu Lehrerin, gegenüber.
Ich möchte an dieser Stelle einmal den Stöpsel ziehen und ganz viel Entspannung und gute Laune verbreiten.
Zum Einen: ich bin in meinen Kursen natürlich in der Rolle der Lehrerin, und klar, ich habe 23 Jahre Erfahrung mit Jin Shin Jyutsu. Dennoch bin auch ich Schülerin, ich studiere das Strömen gefühlt schon ein Leben lang. Es ist mein Motor und das große Geheimnis, welches es zu entdecken gilt, immer und immer wieder. Wenn ich voller Begeisterung dreihundert Strömideen weitergebe, ist das lediglich eine Anregung.
Zum Anderen: "nur" Fingerströmen ist vollkommen! Jawohl. Bereits Jiro Murai hat einzig durch das Strömen seiner Finger seine Krankheit überwunden. Und, um ein Besipiel aus meinem ganz persönlichen Umfeld zu bemühen: meine Oma Mimi hat sich einige Jahre lang jeden Tag alle Finger geströmt. Sie wusste nichts über die Tiefen, Sicherheitsenergieschlösser oder Organströme, vielmehr hatte ich ihr das einmal gezeigt und sie hat gespürt, wie gut es ihr tut, und so blieb sie dabei. Oma Mimi wurde 92. Sie glitt hinüber in die nächste Welt, mühelos und friedlich. Ich möchte mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, das sei eine Folge des Fingeströmens gewesen, jedoch weiss ich, dass ihre Gelenkschmerzen sich deutlich verbessert hatten, sie in ihren letzten Lebensjahren insgesamt mehr Energie hatte und das Loslassen für sie ein sanftes Ausatmen war. Einfach beeindruckend.
Ich möchte ferner sagen: Ihr Lieben! Strömt Euch die Finger, so oft Ihr könnt! Das ganze Universum steckt in unseren Händen. Die Tiefen, die Energieschlösser, die Organströme - unser gesamtes Wesen wid durch die Finger harmonisiert. Bewusst und unbewusst. Je bewusster wir strömen, desto mehr Ausgeglichenheit kann sich einstellen. Und doch: bereits als Babies nuckeln wir am Daumen und strömen so unsere 1. Tiefe, unsere Erde, unser Urvertrauen und unser Genährtsein. Es ist so einfach! Und doch so komplex. Deshalb liebe ich Jin Shin Jyutsu so sehr. Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken und zu erspüren.
Die "Tiefen" sind ein in sich stimmiges System, welches ich an anderer Stelle erläutern werde. Jede Tiefe hat ihre Bedeutung und Schwingung, und damit ist kein theretisches Konstrukt gemeint, sondern etwas sehr Persönliches, nämlich unser Einklang mit uns selbst. Oder eben auch mal die Schieflagen.
Apropos Schieflagen. Ein Gerücht hält sich hartnäckig, nämlich, dass das Ziel des Strömens sei, alles in Ordnung zu bringen und DANN zu beginnen, ein gutes Leben zu leben. Mitnichten! Wie leidvoll wäre dann unser Dasein. Das Strömen hilft mir (und verbürgt auch vielen anderen Menschen!), die Schieflagen, die Höhen und die Zeiten dazwischen zu begreifen, anzunehmen, zu genießen und schlicht und ergreifend zu leben. Ein gutes Leben zu leben bedeutet - aus meiner Sicht zumindest - nämlich nicht, alles Unangenehme zu vermeiden und einem hehren Ideal hinterher zu hecheln, sondern das, was ist zu erkennen und damit umzugehen. Ich meine damit nicht, schlechte Kompromisse zu leben, sondern den Sinn und das Sinnhafte hinter Allem zu sehen.
Um unser Wesen in einen ausgewogenen Zustand zu bringen, bedarf es also lediglich unserer Finger. Wenn Du Dich das nächste Mal denken hörst: "Ich ströme mir im Moment nur die Finger!", sei froh über diesen Gedanken. Alles ist in Deinen Händen.
(C) Johanna Wienzek 2023
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Sabine Diop (Dienstag, 07 November 2023 12:51)
Sehr schön geschrieben meine Liebe. Ich umarme dich